Selbstverständnis (lang)

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Herzlich willkommen in unserer Poliklinik, dem Solidarischen Gesundheitszentrum Leipzig! Wir sind eine Gruppe von Menschen, die im engeren oder weiteren Sinne beruflich etwas mit Gesundheit zu tun haben. 2015 ist die Idee entstanden, einen Ort zu gestalten, an dem Gesundheit nicht nur auf das Nichtvorhandensein von körperlichen oder psychischen Beschwerden reduziert wird. Wir möchten Angebote schaffen, die über eine medizinische Versorgung hinausgehen und zusätzlich soziale und gesellschaftliche Einflüsse in den Fokus nehmen. Dabei sollen die Nutzer*innen in ihrer Selbstwirksamkeit gestärkt und ihnen ein gleichberechtigter Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglicht werden. Im folgenden Text möchten wir unsere Idee von Gesundheit und die Umsetzung in einem solidarischen Gesundheitszentrum beschreiben.

Die Idee in Kürze

In unserer Gesellschaft gibt es vieles, das krank macht. Die zunehmende Arbeitsbelastung, unsichere Lebensumstände, der Lärm und Trubel der Städte, um nur einige Punkte zu nennen. Zudem kommt es zu einer immer stärkeren Vereinzelung: mehr Menschen als je zuvor leben in Single-Haushalten, die Konkurrenz um gut bezahlte Jobs oder bezahlbaren Wohnraum wird immer größer. Diese Verhältnisse haben zwar einen gesellschaftlichen und politischen Ursprung, wirken sich am Ende aber auf jede*n Einzelne*n aus. Sie machen krank.

Es gibt viele wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass sich sogenannte soziale Determinanten stark auf die Mortalität (Sterblichkeit) und die Morbidität (Krankheitshäufigkeit) auswirken und zu stark unterschiedlichen Lebenserwartungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen führen. Soziale Determinanten der Gesundheit beinhalten eine Reihe struktureller, kultureller und funktionaler Aspekte eines sozialen Systems, die sich auf das Individuum und somit auch auf die Gesundheit auswirken. Dies können z.B. ein niedriges Einkommen, eine schlechte Wohnlage oder die Ungleichbehandlung aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes sein.

Unser jetziges Sozial- und Gesundheitssystem hat für diese komplexen Umstände keine ausreichende Lösung. Es ist geprägt von der Fragmentierung verschiedener ärztlicher Leistungen: die Trennung in ambulante und stationäre Versorgung, der individuellen Arbeit vieler Fachrichtungen und der Trennung von anderen Gesundheitsberufen. Soziale Dienstleistungen werden ebenfalls davon abgekoppelt. Dazu kommt die stetige Ökonomisierung des Gesundheitssystems. Es steht nicht der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund, sondern das Profitstreben von Krankenhäusern, Pharmakonzernen und Co.

All dem wollen wir eine Alternative entgegensetzen. Wir möchten ein Gesundheitszentrum gründen, in dem die Menschen im Kontext ihres sozialen Umfelds und der sie umgebenden Gesellschaft wahrgenommen werden. Dabei sollen vor allem Menschen mit erschwerten Lebensbedingungen und einem eingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem im Fokus stehen. Die Gründe für Krankheit und Gesundheit werden auf verschiedenen Ebenen gesucht und behandelt.

Wir sind davon überzeugt, dass dafür unterschiedliche Berufsgruppen des Gesundheits- und Sozialwesens eng zusammenarbeiten müssen. Da viele Krankheiten auf gesellschaftliche Bedingungen zurückzuführen sind, möchten wir zudem Kämpfe für eine gerechtere Gesellschaft unterstützen und mit dem Thema Gesundheit in Verbindung bringen (z.B. das Recht auf Stadt als Kampf für die demokratische Mitbestimmung an der Gestaltung des Lebensraums Stadt, Arbeitskämpfe etc.).

Da sich die gesellschaftlichen Umstände auf jeden Menschen unterschiedlich auswirken, verlangt dies eine Unterstützung, die auf genau dieses Individuum abgestimmt ist. Unser Anspruch ist es, gemeinsam individuelle Lösungsansätze zu finden. Dies kann in einer Therapie münden, oder auch kollektiver Natur sein. Dafür wollen wir Räume der unterstützten Selbstorganisierung schaffen. Beispielsweise könnten sich mehrere Patient*innen zusammen schließen, um eine gemeinsame Kinderbetreuung zu organisieren, eine Wandergruppe zu gründen, gemeinsame Amtsgänge zu organisieren etc.. So etwas kann natürlich nur funktionieren, wenn sich Menschen immer wieder begegnen und vertrauensvolle Beziehungen entwickeln. Daher ist es uns wichtig, stadtteil-bezogen zu agieren. Die Menschen eines Stadtteils sollen die Poliklinik als erste mögliche Anlaufstelle bei (ambulanten) gesundheitlichen, sozialen und politischen Problemen kennen und nutzen können.

Wir hoffen, mit der Poliklinik Teil eines gesellschaftlichen Transformationsprozesses zu sein. Die gesundheitliche Ungleichheit soll aufgedeckt und thematisiert werden, Chancengleichheit sowie der gleichberechtigte Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen soll erkämpft werden. Wir möchten Menschen darin unterstützen, ihr eigenes politisches Handlungspotenzial zu erkennen und zu nutzen.

Außerdem soll sich diese Idee nicht auf eine Stadt bzw. einen Stadtteil beschränken. Schon jetzt sind wir zusammen mit der Poliklinik auf der Veddel in Hamburg und dem Gesundheitszentrum Berlin Teil eines Syndikats. Der Plan ist, dass sich immer mehr lokale Gruppen mit ähnlichen Ideen anschließen, um das Syndikat zu stärken. Die internationale Vernetzung mit Polikliniken anderer Länder soll ebenfalls längerfristiges Ziel unserer Arbeit sein.

Definition Gesundheit

Wir verstehen Gesundheit ganzheitlich im Sinne der WHO als „Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein (als) das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“. Wir orientieren uns an dieser Definition und dem Salutogenesekonzept von Antonovsky. Das bedeutet, dass wir Abweichungen von einem festgelegten körperlichen und/oder psychischen "Normalzustand" ernst nehmen und behandeln (z.B. 40 Grad Fieber). Gleichzeitig ist es uns wichtig, den subjektiven Aspekt von Wohlbefinden und Krankheit nicht zu vernachlässigen. Dazu gehört z.B. am Leidensdruck und der Beschreibung der Ratsuchenden anzuknüpfen und diese selbstbestimmt über die Behandlungsmöglichkeiten urteilen zu lassen. Das heißt, dass wir für die Gesundheit des einzelnen Menschen individuelle Lösungsansätze entwickeln möchten. Darüber hinaus verstehen wir Krankheit und Unwohlsein auch immer als Ergebnis struktureller Probleme, die politische und gesamtgesellschaftliche Lösungsstrategien erfordern.

Zusammengefasst schließt Gesundheit für uns sowohl individuelle körperliche oder psychische Beschwerden ein, als auch die sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen, in denen diese entstehen und aufrechterhalten werden.

Exkurs Salutogenese

Krankheit und Gesundheit sind in Anlehnung an das Konzept der Salutogenese (Antonovsky) nicht als zwei klar voneinander abgrenzbare Zustände, sondern Pole eines Kontinuums. Nach Antonovsky sind Menschen immer gleichzeitig krank sowie gesund und streben aktiv danach, ihre Gesundheit herzustellen. Die Entstehung sowie die Bedeutung einer Krankheit können außerdem nur vor dem Hintergrund des aktuellen Lebenskontexts diagnostiziert und dementsprechend durch sich ergänzende Verfahren behandelt werden. Die Behandlung der Patient*innen ist salutogenetisch orientiert, wenn sie u.a. auf Wohlbefinden, Sinnerfüllung, Lösungsorientierung und dem Menschen gegenüber wertschätzend ausgerichtet ist.

Die Poliklinik

Der Begriff der Poliklinik geht ursprünglich zurück auf eine medizinische Einrichtung oder ambulante Abteilung eines Krankenhauses. Im deutschsprachigen Raum bezieht man sich dabei vor allem auf die Polikliniken der DDR. Jedoch existieren in vielen anderen Ländern, wie Kuba, Kanada und Griechenland verschiedene Modelle dieser Gesundheitseinrichtungen.

In der DDR dominierten Polikliniken die gesundheitliche Versorgungslandschaft. Diese bestanden aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen, die als ambulante Praxen miteinander zusammenarbeiteten und sich gemeinsame Diagnostikbereiche, wie beispielsweise das Labor, teilten. Einen weiteren Bereich bildeten Forschung und Prophylaxe. Durch die allgemeine, öffentliche Versorgung in der DDR existierten keine Unterschiede zwischen Privat- und Kassenpatient*innen. Ärzt*innen mussten nicht gewerblich tätig sein und konnten sich voll auf die Behandlung der Patient*innen konzentrieren.

Wir möchten in unserer Poliklinik an die positiven sozialen Aspekte der damaligen Poliklinik anknüpfen. Hierbei sei allerdings angemerkt, dass wir uns von der autoritären Politik des DDR-Regimes klar distanzieren. Wir legen besonderen Wert auf Solidarität als Grundprinzip unserer Arbeitsweise und haben deshalb den Untertitel “Das Solidarische Gesundheitszentrum” gewählt. Unser Angebot geht über das der damaligen Poliklinik hinaus, da neben der grundsätzlichen medizinischen Versorgung, auch psychologische, soziale und juristische Beratungsangebote geschaffen werden. Wir sehen die Poliklinik außerdem als Vernetzungs- und Begegnungsstätte, vor allem für die im Stadtteil lebenden Menschen. Die Poliklinik steht allen Menschen unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder sozioökonomischen Status offen. Wir wünschen uns, die Besucher*innen nicht nur im medizinischen Kontext, sondern ebenso unter Berücksichtigung ihrer Lebensumstände, umfassend beraten zu können, ihnen Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge und Verhütung von Krankheiten bieten zu können. Die Besucher*innen werden bei ihren Fragestellungen und Themen nicht nur unterstützt, sondern auch ermutigt sich gegenseitig zur Seite zu stehen, eigene Ideen zu entwickeln und tätig zu werden. Diese Möglichkeit der Teilhabe bezieht sich nicht nur auf den gesundheitlichen Kontext, sondern erstreckt sich bis in den gesamtgesellschaftlichen und politischen Bereich. Die “Poliklinik Leipzig, das Solidarische Gesundheitszentrum” ist mehr als eine einfache ambulante medizinische Versorgungseinrichtung - vielmehr noch Beratungsstelle, Stadtteiltreffpunkt sowie Begegnungs- und Vernetzungsort, die alle Menschen herzlich willkommen heißt!


Unsere Vision eines solidarischen Gesundheitszentrums

Ausgangspunkt für unsere Arbeit

Als Grundlage unserer Arbeit sehen wir folgende vier Ansätze:
1. Behandeln von somatischen (körperlichen) Beschwerden
2. Auseinandersetzung mit psychischen Beschwerden
3. Unterstützung bei sozialen Anliegen
4. Förderung der aktiven Mitgestaltung (der Besucher*innen und Mitarbeiter*innen)
Diese vier Gesichtspunkte stellen den Ausgangspunkt für unsere Arbeit dar, denn wir verstehen neben somatischen Beschwerden, ebenso psychische Beschwerden und soziale Aspekte als entscheidende Faktoren für die Gesundheit. Es bedarf des umfassenden Verständnisses all dieser Gesichtspunkte, um für jede*n einzelne*n Besucher*in eine gute Unterstützungsmöglichkeit zu finden. Außerdem erscheint uns die aktive Mitgestaltung durch die Besucher*innen als auch Mitarbeiter*innen als zentrales Anliegen, wodurch sich jede*r Einzelne einbringen kann, neue Visionen entstehen und sich die Poliklinik Leipzig stets weiterentwickelt. Diese vier Ansätze werden bei jeder Beratung der Besucher*innen berücksichtigt und bleiben stets die Grundlage für unsere Arbeitsweise.

Die Mitarbeiter*innen

Die Mitarbeiter*innen der Poliklinik Leipzig kommen aus unterschiedlichen beruflichen Fachbereichen (medizinisch, therapeutisch, sozial, pädagogisch, juristisch etc.). Das ermöglicht es uns, in Bezug auf die Belange der Besucher*innen umfassend in allen Bereichen, die die Gesundheit beeinflussen, zu arbeiten und auf vielfältige komplexe Themen kompetent einzugehen.

Die Gestaltung der Lohnarbeit

Wir streben langfristig ein Arbeitsmodell an, in dem alle Beteiligten von ihrer Lohnarbeit in der Poliklinik gut leben können. Ziel ist es, solidarisch zu wirtschaften. Momentan sind wir noch mit der Ausgestaltung eines konkreten Konzeptes beschäftigt. Insgesamt soll sich die Bezahlung nicht ausschließlich an dem Status der einzelnen Berufsgruppen orientieren, sondern vielmehr auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen (beispielsweise Familie) berücksichtigen. Ebenso soll die reguläre Arbeitszeit nach den Bedürfnissen der Kolleg*innen ausgerichtet werden.

Hierarchiefreiheit

Uns ist es wichtig, in unserem Team die Entstehung von Hierarchien zu beobachten und kritisch zu hinterfragen. Wir erkennen die unterschiedlichen Spezialgebiete aller Beteiligten an und folglich auch die damit einhergehenden Verantwortlichkeiten im Arbeitsalltag (z.B. bestimmte Behandlungen, Leitung von Notfällen). Gleichzeitig möchten wir verhindern, dass sich Machtunterschiede, z. B. durch den gesellschaftlichen Stand der Berufsgruppe, die Berufserfahrung oder Unterschiede in der Vergütung der Mitarbeiter*innen manifestieren.
Dazu ist es uns wichtig, auf Statussymbole, wie beispielsweise bestimmte Kleidung oder die Bürogröße zu verzichten. Stattdessen begegnen wir uns mit der gegenseitigen Wertschätzung unserer vielfältigen Kompetenzen. Regelmäßig soll es Gelegenheit geben, aktuelle Arbeitsweisen und -strukturen zu reflektieren, Bedenken zu äußern und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen.

Die Besucher*innen

In der Poliklinik Leipzig setzen wir uns kritisch mit der Bedeutung des Begriffs "Patient*in" auseinander, da dieser Begriff auf das lateinische Wort “patiens”, also “geduldig, wartend, ertragend” zurückgeht.
Uns ist bewusst, dass diese Bezeichnung aus dem gesundheitlichen Kontext nicht wegzudenken ist. Gleichzeitig verstehen wir die Menschen, die zu uns kommen, nicht als passive Behandlungsempfänger*innen, sondern als selbstständige Personen, die selbstbestimmt und aktiv für ihre Gesundheit sorgen sowie Expert*innen für ihr eigenes Leben sind.
Wir haben uns darauf geeinigt, abhängig vom Kontext unterschiedliche Begriffe wie Besucher*innen, Klient*innen, Ratsuchende neben der Bezeichnung Patient*in zu verwenden.
Daraus resultiert, dass die Begegnung mit den Mitarbeiter*innen auf Augenhöhe stattfindet und immer auf die Autonomie und Ressourcen der Ratsuchenden ausgerichtet ist. Folglich können wir je nach Auftrag eine konkrete medizinische und therapeutische Behandlung, eine Begleitung während herausfordernder Lebensphasen oder einfach nur ein offenes Ohr und Verständnis anbieten. Wir möchten die Möglichkeit schaffen, dass sich Besucher*innen gegenseitig unterstützen, unsere Räume selbst zum Austausch nutzen oder eigenständig soziokulturelle Veranstaltungen gestalten und organisieren können. Dadurch werden die Besucher*innen zur gesamtgesellschaftlichen Teilhabe und Einflussnahme angeregt. Wir heißen alle Menschen herzlich willkommen- unabhängig von ihrer Herkunft, Ethnie, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung, sozio-ökonomischen Hintergrund, Bildungsstand, körperlicher oder geistiger Verfassung sowie Menschen mit und ohne Ausweispapiere/ Krankenversicherung.

Vernetzung im Stadtteil

Uns ist es ein zentrales Anliegen, den gesundheitlichen Projekten in der Umgebung keine Konkurrenz zu schaffen, sondern uns in die bestehende Infrastruktur des Stadtteiles einzugliedern. Wir streben eine enge Vernetzung mit verschiedenen sozialen und medizinischen Trägern an und richten unser Angebot an dem Bedarf der Bürger*innen aus. Des Weiteren soll das Gebäude der Poliklinik Leipzig für alle Besucher*innen gut erreichbar sein und den Menschen aus der Umgebung eine schnelle Organisation und Vernetzung ermöglichen.

Stadtteil und Standort

Als Standort für die Poliklinik Leipzig haben wir uns, den Leipziger Osten gewählt. Dieser Stadtteil zeichnet sich durch einen hohen Anteil an Zuwanderung sowie Personen mit geringerem Einkommen aus. Besonders im Leipziger Osten führen eine Reihe von lokalen Lebensumständen dazu, dass negative Auswirkungen die Gesundheit der hier lebenden Menschen beeinträchtigen. Beispielsweise kann aufgrund eines geringen Einkommens nur eine Wohnlage an der Hauptstraße mit viel Lärm, Staubbelastung und wenig Freiraum für die Kinder in Anspruch genommen werden.

Des Weiteren besteht hier eine deutliche Unterversorgung im Hinblick auf ambulante medizinische Versorgung.

Gerade im Leipziger Osten ist es wichtig, einerseits die medizinische Versorgung sicherzustellen, aber auch den Menschen eine, alle Lebensfragen umfassende Beratung sowie gesamtgesellschaftliche Teilhabe und Vernetzung im Stadtteil zu ermöglichen.

Der Standort unseres Gebäudes soll für die Besucher*innen gut erreichbar sein, mit guter Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel und ohne lange Anfahrtswege. Wir möchten einen barrierefreien Raum schaffen, der auch für Menschen mit Behinderungen leicht zugänglich ist. Momentan gibt es noch keinen konkreten Standort. Wir wünschen uns ein Gebäude, in dem die sozialen, juristischen, psychologischen und medizinischen Behandlungsräume nicht getrennt sind, sondern für die interdisziplinäre Zusammenarbeit auch örtlich in engem Kontakt miteinander stehen. Vielmehr soll es Räumlichkeiten geben für gesundheitliche Sport- und Entspannungskurse und eine Begegnungsstätte mit gemütlichem Café und Garten.

Qualitätssicherung

Wir möchten unsere Arbeit kontinuierlich professionell reflektieren sowie inhaltlich und strukturell hinterfragen. Dazu sollen zukünftig regelmäßige interdisziplinäre Fallbesprechung unter der Einhaltung der Persönlichkeitsrechte der Nutzer*innen, außerdem Einzel- und Teamsupervision stattfinden. Des Weiteren achten wir darauf, durch interne/externe Fort- und Weiterbildung in unserem jeweiligen Fachgebiet auf dem neuesten Stand zu bleiben.
Außerdem sollen anonymisiert Daten über die Ratsuchenden, deren Nutzung des Gesundheitszentrum etc. erhoben und ausgewertet werden, um die Qualität unserer Arbeit zu sichern sowie einen Beitrag zu Forschung und dem politischen Diskurs zu leisten.

Die Arbeitsweise der Gruppe aktuell

Verein

Die Grundstruktur der Poliklinik bildet der Verein. Dieser ermöglicht es uns unabhängig von der aktuellen personellen Zusammensetzung langfristig unsere Ziele zu verfolgen. Der Verein ist demokratisch strukturiert. Jede*r kann Mitglied werden, wenn die/derjenige sich mit unseren Grundsätzen einverstanden erklärt. Die Mitglieder und der Vorstand sind gleichberechtigt und treffen Entscheidungen wie unten beschrieben. Es finden regelmäßig Mitgliederversammlungen statt.

Sobald die Poliklinik Einnahmen hat, soll der Verein gemeinnützig werden und somit die Erwirtschaftung von Profit von vornherein ausschließen. Sollte die Rechtsform geändert werden, muss sie so gewählt werden, dass das Generieren von Profit nicht möglich ist. Zudem soll es stets ein demokratisch organisiertes Organ bleiben.

Syndikat

Die Poliklinik Leipzig ist Teil eines bundesweiten Syndikats aus lokalen Poliklinik-Gruppen. Zurzeit sind neben der Poliklinik Leipzig, die Poliklinkik Veddel in Hamburg, das Gesundheitskollektiv Berlin und das Gesundheitskollektiv Dresden Teil des Syndikats. Durch das Syndikat werden gemeinsame politische Forderungen gestellt und eine solidarische Infrastruktur aufgebaut. Durch den Zusammenschluss der Ortsgruppen kann ein größeres politisches Gewicht erreicht werden. Zudem dient das Syndikat dem Austausch von Wissen und bietet ein Netzwerk der gegenseitigen Unterstützung.

Entscheidungsfindung

Entscheidungen im Team werden verantwortungsbewusst und im Konsens getroffen. Dazu finden in regelmäßigen Abständen (zurzeit alle zwei Wochen) Plena statt. Das Plenum ist unabhängig von der Anzahl der Teilnehmenden entscheidungsfähig und kann beschlossene Sachverhalte direkt umsetzen. Entscheidungen werden im Konsens getroffen.

Exkurs Entscheidungen treffen:

Grundlegende Entscheidungen müssen vor dem Plenum angekündigt werden. Auf Beschlossenes wird danach per Mail hingewiesen und an nicht Anwesende ein Veto bis zum nächsten Plenum eingeräumt. Des Weiteren besteht jederzeit die Möglichkeit, Bedenken zu bereits getroffenen Entscheidungen zu äußern und diese im Team zu diskutieren. Jede Entscheidung kann immer wieder neu verhandelt werden. Über kurzfristigere Beschlüsse wird ebenfalls per Mail informiert und ein Zeitpunkt genannt, bis zu dem Bedenken geäußert werden können.

Exkurs Konsens:

Die Konsensstufen aller Beteiligten werden abgefragt: Volle Zustimmung - Zustimmung mit Bedenken, aber grundsätzlich einverstanden - Beiseite-Stehen; Zustimmung, aber keine aktive Beteiligung an der Umsetzung der getroffenen Entscheidung - Veto. Davon ausgehend werden die Bedenken diskutiert, verhandelt und die Konsensstufen neu aufgestellt. Der endgültige Beschluss ist der, mit dem die meisten Menschen, die wenigsten Bedenken haben.

Außerdem vertrauen wir darauf, dass alle Personen, die sich am Plenum beteiligen, eigenverantwortlich einschätzen, ob sie an einem Entscheidungsprozess mitwirken möchten oder nicht (z.B. bei erstmaliger Teilnahme am Plenum).

Schlusswort

Dieser Text ist das Ergebnis vieler Auseinandersetzungen und wurde in dieser Form im Spätsommer 2018 fertiggestellt.
Einzelne Bereiche sind lediglich Diskussionsstände und das gesamte Selbstverständnis ist nicht als in Stein gemeißelt zu betrachten. Als Gruppe befinden wir uns in vielerlei Hinsicht in einem Prozess und werden es immer bleiben, so sind wir erst während des Schreibens Teil des Poliklinik-Syndikats geworden und entwickeln uns als Gruppe sowohl personell, als auch inhaltlich stetig weiter.
Anhand dieses Selbstverständnisses wollen wir diesen Prozess abbilden und uns und unsere Entwicklung kritisch hinterfragen und begleiten.
Denn unser Projekt ist der Versuch unsere gesellschaftlichen Utopien im Kleinen umzusetzen.
Wir freuen uns über Fragen, Anregungen, Kritik und Feedback!

Poliklinik-Gruppe

Leipzig, Oktober 2018