Selbstverständnis (Kurz)

Gesundheitsversorgung kann in der heutigen Zeit nicht allein bei der ärztlichen Behandlung enden. Vielmehr spielen die Lebensumstände und das sozioökonomische Umfeld einen entscheidenden Anteil daran, ob sich Menschen gesund oder krank fühlen.

In vielen Studien (z.B. SHARE-Studie) konnte gezeigt werden, dass eine prekäre soziale Lage, vor allem auch im älteren Lebensalter, zu einer deutlichen Verschlechterung der Gesundheit und geringeren Lebensqualität bei Männern und Frauen führt. Das Eingehen auf diese sogenannten “sozialen Determinanten”, die Lebensumstände einer jeden Person, sowie die Verringerung sozialer Ungleichheit müssen fester Bestandteil in der heutigen Gesundheitsversorgung eines Stadtteils und auch auf globaler Ebene sein.

Eine zeitgemäße Gesundheitsversorgung geht somit über den rein medizinischen Bereich hinaus. Sie umfasst sowohl Vorsorgemaßnahmen (anstelle eines lediglich kurativen Ansatzes) als auch Elemente der Gemeinwesenarbeit und sieht den/ die Besucher*in stets als Individuum, aber auch in seiner oder ihrer gesellschaftlichen Position.

Das Stadtteilgesundheitszentrum in Leipzig Schönefeld steht allen Menschen, unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht oder sozioökonomischen Bedingungen offen. Dabei werden sowohl eine interdisziplinäre als auch individuelle Beratung und Behandlung verfolgt.

Darüber hinaus sollen den Besucher*innen neben Mediziner*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Rechtsanwält*innen und Pflegekräften auch andere therapeutische Fachbereiche zur Seite stehen.

Außerdem ist es uns wichtig, die Ratsuchenden zur eigenen Organisation und Selbstwirksamkeit zu ermutigen und einen lebendigen Treffpunkt im Stadtteil für alle zu ermöglichen. Eine Vernetzung der Bewohner*innen des Stadtteils untereinander, aber auch eine Vernetzung mit anderen gesundheitlichen und sozialen Projekten ist uns ein weiteres Anliegen.

Da viele Krankheiten, wie bereits erwähnt, auf gesellschaftliche Bedingungen zurückzuführen sind, möchten wir an den Bestrebungen für eine gerechtere Gesellschaft mitwirken und sehen die Beteiligung am politischen Diskurs als essentielles Kernelement in der Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung. Da die Idee unserer Gesundheitsversorgung nicht nur auf die Stadt Leipzig beschränkt ist, sind wir als Gruppe im Poliklinik-Syndicat mit der Poliklinik Hamburg (Veddel), dem Gesundheitskollektiv Berlin und Gruppen, die ein ähnliches Konzept verfolgen, organisiert.

Sowohl die Besucher*innen, als auch alle Mitarbeiter*innen sollen an der Gestaltung der Poliklinik teilhaben. Wir verfolgen als Gruppe eine solidarische, kollektive und hierarchiefreie Arbeitsweise. Um die zukünftige Arbeit ständig zu reflektieren sollen regelmäßige Supervisionen, Fallbesprechungen und interne/ externe Fortbildungen wahrgenommen werden. Um die Qualität unserer Arbeit zu sichern, soll sie kontinuirlich durch Forschungsprojekte begleitet werden.

Unsere Gruppe besteht aus Personen mit verschiedenen beruflichen Hintergründen: Physiotherapie, Ergotherapie, Anthropologie, Medizin, Pädagogik, Ernährungswissenschaften, Pflege, Jura, Psychologie und sozialer Arbeit. Das Projekt der Poliklinik Leipzig befindet sich stets im Prozess, wobei wir uns und unsere Entwicklung stets hinterfragen. Wir versuchen unsere gesundheitliche und gesellschaftliche Utopie so gut es geht im Kleinen umzusetzen, indem wir bereits bei uns den Wandel erproben, den wir uns von der restlichen Gesellschaft wünschen.

 

Stand Februar 2021